Gerhard Kraft

Tour: „Champagner“, Mord und Kirchengeschichten


Was ist eine gute Voraussetzung für einen Stadtführer? Von seiner Stadt begeistert zu sein. Noch besser, wenn sich diese Begeisterung auf die Zuhörerinnen und Zuhörer überträgt. Das ist bei Gerhard Kraft der Fall, der seit zweieinhalb Jahren Gäste und Einheimische durch das schöne Bad Soden am Taunus führt. 

Auf die Frage nach seinem Lieblingsplatz in der Stadt muss der Dachdeckermeister im Ruhestand nicht lange nachdenken. „Genau hier“, sagt er bei einem Abstecher zum Champagnerbrunnen im Wilhelmspark in Sichtweite des Hundertwasserhauses. „Das war für uns als Kinder die Gegend, die wir erkundet und wo wir gespielt haben“, erinnert sich der 74-Jährige. „Damals hat’s hier anders ausgesehen“, zeigt er mit dem Finger auf den Randbereich der Parkanlage in Richtung Martin-Luther-Weg, „dort stand früher das Haus meiner Urgroßmutter Franziska.“ 

Much AG und Spalttabletten 

Da wundert es nicht, dass der Gästeführer hier jedes Haus und jede Gasse kennt. Der elterliche und der eigene Betrieb befand sich in unmittelbarer Nähe in der Hasselstraße. So hat er aus eigener Anschauung erlebt, wie sich die Stadt verändert hat. „Das hat sie deutlich – und vor allem positiv“, findet Gerhard Kraft. Beispielsweise der kürzlich fertiggestellte verkehrsberuhigte Bereich in der Altstadt – besonders in der Straße Zum Quellenpark – der ihm und den Besuchern sehr gefällt. Oder das große kulturelle Angebot in der Stadt, das für jeden Geschmack etwas in petto hat. Noch immer schwärmt er von der Beatles Revival Band im Alten Kurpark bei den diesjährigen Sommerlounge-Konzerten. 

Bad Soden am Taunus hat in der Gegenwart viele bunte Facetten. Bei einer Stadt mit so viel Historie lohne natürlich auch besonders der Blick zurück, erläutert Gerhard Kraft. Angefangen von den Römern und germanischen Stämmen, die hier einst siedelten, bis zur Entdeckung und Nutzung der Quellen oder der Kurgeschichte mit ihren vielen klangvollen Namen. Und dann der Neustart nach dem Zweiten Weltkrieg. „Wer weiß denn heute noch, wer der Unternehmer Max Baginski war?“, fragt der Stadtführer und umreißt kurz Blüte und Ende dessen Much AG, der Spalttablette und ihrer Bad Sodener Produktion. 

Faszinierende Heimatgeschichte 

Dabei hat dem Schüler Kraft damals das Fach Geschichte nicht mehr interessiert als Mathematik und Sprachen. „Doch sich mit der Historie seiner Heimatstadt zu beschäftigen, ist ganz anders faszinierend“, findet er. Und die ist mitunter spannend! Wie die Geschichte vom Mord an der Magd Henriette Weyershäuser. „Der Täter hat wohl hier am Champagnerbrunnen das Blut vom Messer gewaschen“, schildert er fesselnd den überlieferten Kriminalfall aus dem Jahr 1844. Gerade die jüngsten Teilnehmer an den Führungen hängen dann immer ganz gebannt an den Lippen von Gerhard Kraft. 

Überhaupt sind es die Anekdoten und besonderen Ereignisse, von denen der Hobby-Läufer bei seinen Touren gerne berichtet. „Nur Jahreszahlen und allzu viele Details?“, fragt er rhetorisch, „die ermüden doch und bleiben nach den Rundgängen nicht im Gedächtnis.“ 

Themenführung „Kirchen“ 

Und immer wieder gebe es neue Themen, die ihn in seiner Heimatstadt in den Bann ziehen und seine Heimatforscherneugier wecken, erzählt er. „Gerade beschäftige ich mit den Bad Sodener Kirchen und habe festgestellt, wie viele spannende Details zu ihrer Geschichte gehören. Am Sonntag, 14. Juni 2026, wird Gerhard Kraft erstmals in einer Themenführung darüber berichten. 

Ein besonderes Angebot hält Gerhard Kraft für Besuchergruppen bereit, die Bad Soden am Taunus zwar kennenlernen möchten, den anderthalbstündigen Fußweg jedoch nicht bewältigen können. Ihnen zeigt er „seine“ Stadt mit einer digitalen Führung auf einer Leinwand.

 

Einen Überblick über alle Bad Sodener Führungen gibt es auf der städtischen Homepage unter „Freizeit/Führungen“.