Hochwasserschutz in Bad Soden am Taunus


Liebe Bad Sodener, Neuenhainer und Altenhainer,

mit großer Anteilnahme verfolge ich die schlimme Situation in den Hochwassergebieten. Die Wassermassen haben nicht nur Existenzen und Lebensträume zerstört, sondern auch unzählige Menschenleben gekostet. Auch ich fühle mich einfach nur hilflos angesichts der dramatischen Bilder. Viele von Ihnen haben bereits mit Sach- oder Geldspenden die Menschen im Katastrophengebiet unterstützt, auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung haben im Rahmen einer internen Spendenaktion gesammelt. Und die Freiwillige Feuerwehr Bad Soden am Taunus unterstützte mit ihrem LF 10 KatS in Nordrhein-Westfalen. Dafür sage ich von Herzen Danke.

Natürlich erinnern wir uns alle bei den aktuellen Bildern auch an das Starkregenereignis in unserer Stadt vor fast einem Jahr. Viele von Ihnen fragen sich, was hat sich seitdem zum Thema Hochwasserschutz in Bad Soden am Taunus getan? Ich weiß, wie brennend diese Frage ist. Deshalb habe ich mich entschlossen, Sie auf diesem Weg ausführlich zu informieren: Wir schauen zurück auf den 14. August 2020. Aus vielen Gesprächen noch in der Schadensnacht selbst und auch in den Wochen und Monaten danach weiß ich, wie sehr Sie dieses Ereignis beschäftigt und Sie sich Sorgen machen, dass sich Ähnliches wiederholt. Waren wir nach dem Starkregen im Juni 2007 nicht vorbereitet? Was hat die Stadt zum Schutz vor Hochwasser unternommen? Welche Maßnahmen sind geplant? All das sind Fragen, die mich in meiner täglichen Arbeit immer wieder erreichen und ich möchte versuchen, Ihnen Antworten und Einordnungen zu geben.

Uns ist bewusst, und nach den aktuellen Ereignissen noch einmal mehr, dass es nicht nur um Sachschäden, sondern vor allem auch um Menschenleben gehen kann. Seien Sie versichert, dass wir in der Stadtverwaltung und auch ich ganz persönlich das Thema Hochwasserschutz extrem ernst nehmen und das schon seit Jahren. Durch die Ereignisse vom 14. August 2020 sind bestehende Überlegungen intensiviert und auch neue angestoßen worden. Dabei ist mir wichtig zu betonen, dass bei allen auch zukünftigen Bemühungen eine hundertprozentige Sicherung aller Liegenschaften im Stadtgebiet vor Naturkatastrophen nicht möglich sein wird. Ich bin aber zuversichtlich, dass in den nächsten Jahren weitere Maßnahmen sukzessive umgesetzt werden können.

Mit den besten Grüßen

Ihr

Dr. Frank Blasch


Außergewöhnliche Regenmenge, schwere Schäden

Ein Rückblick auf das Starkregenereignis im August 2020

Am 14. August 2020 ging über den Stadtteilen Altenhain und Neuenhain ein Starkregen nieder, dessen Intensität auf der Einstufungsskala des Deutschen Wetterdienstes (sogenannter „KOSTRA-Atlas“) schon nicht mehr verzeichnet war. In Altenhain (Rote Mühle) fielen binnen 120 Minuten rund 90 Liter Regen auf den Quadratmeter, in Neuenhain (Niederdorfsbach) waren es 80 Liter binnen 90 Minuten. Damit ging dieser Regen weit über ein sogenanntes „Hundertjähriges Niederschlagsereignis“ hinaus, also eine Regenmenge, die statistisch im Schnitt einmal alle 100 Jahre verzeichnet wird. Zum Vergleich, der Starkregen im Juni 2007 war seinerzeit ein Fünfzigjähriges Niederschlagsereignis. Eine Unwetterwarnung des Deutschen Wetterdienstes wird übrigens bereits bei einem erwarteten Niederschlag von 25 Litern in einer Stunde ausgelöst.

Die Kanalisation, die in der Regel auf drei- bis fünfjährige Regenereignisse ausgelegt ist, war in den Stadtteilen Neuenhain und Altenhain diesen Regenmassen nicht mehr gewachsen. Die Folge waren Dutzende vollgelaufene Keller, Garagen und Liegenschaften in beiden Stadtteilen. Zudem suchten sich die Wassermassen ihren Weg talabwärts, sowohl über die Straßen als auch über den Sulzbach durch das Altenhainer Tal und den Niederdorfsbach von Neuenhain herab und führten zu zahlreichen Schäden in der Kernstadt. Hier hatte es vorab auch stark geregnet, allerdings nicht annähernd so ausdauernd und intensiv wie in den Stadtteilen.

Auch wenn Starkregenereignisse künftig möglicherweise zunehmen werden und die Einstufung des KOSTRA-Atlasses eine Überarbeitung erfahren dürfte, so handelte es sich beim Starkregen am 14. August 2020 um nichts weniger als eine Naturkatastrophe oder zumindest ein Naturereignis mit katastrophalen Folgen. Dies schützt zwar nicht davor, dass es in absehbarer Zeit erneut ein solches Regenereignis gibt, doch bleibt die Wahrscheinlichkeit hierfür trotz eventueller klimatischer Veränderungen vergleichsweise gering.

Was schützt uns bereits jetzt bei Hochwasser?

Ein Blick auf die vergangene Dekade

Hochwasserschutz ist äußerst komplex, denn es gibt nicht nur die eine Maßnahme, mit der die Problematik für ein ganzes Stadtgebiet gelöst werden kann. Es bedarf vielmehr zahlreicher einzelner Schritte, die erst im Zusammenspiel einen hinreichenden Hochwasserschutz gewährleisten können. Eine Reihe solcher Maßnahmen wurde in den letzten zehn Jahren umgesetzt.

Die Grundkonzeption der Entwässerung der Baugebietsentwicklungen in den Randbereichen der Stadt wie Wilhelmshöhe, Sinai I oder Großer Hetzel sieht beispielsweise bereits seit 2008 vor, dass nach der Bebauung des jeweiligen Projektareals keine größere Menge Niederschlagswasser und Schmutzwasser abfließen darf, wie aus den natürlichen Einzugsgebieten abgeflossen ist. In diesem Zusammenhang wurden die Regenrückhaltebecken Wilhelmshöhe, Großer Hetzel und Unterer Schellberg sowie die Versickerungsmulden und Kanalstauraum Sinai I (Otfried-Preußler-Schule) innerhalb der letzten Dekade errichtet. Darüber hinaus wurde eine Außengebietsabtrennung im Bereich Sophienruhe/Fuchshohl (In der Fuchshöhle) durchgeführt. Das Niederschlagswasser wird hier im Waldverband einer Versickerung zugeführt. Weiterhin wurde im Zusammenhang mit der Hochwasserfreilegung des ehemaligen Süwag-Geländes eine Hochwassermulde geschaffen. Bei der Kanalbaumaßnahme Oranienstraße wurden die beiden unterdimensionierten Mischwasserhaltungen vergrößert. Schließlich wurden alle Rechenanlagen vor den Verrohrungen des Niederdorfsbaches und des Sulzbaches für eine bessere Unterhaltung im Hochwasserfall umgebaut. Hinzu kommen noch diverse Kanalerweiterungen im gesamten Stadtgebiet in den letzten Jahren.

„Insgesamt haben wir bis dato gut acht Millionen Euro in den Hochwasserschutz in unserem Stadtgebiet investiert. Mir und allen handelnden politischen Akteuren ist dennoch sehr bewusst, dass weitere Maßnahmen folgen müssen“, sagt Bürgermeister Dr. Frank Blasch. „Was wir aber auch nicht vergessen sollten, es waren die bereits ergriffenen Maßnahmen, die am 14. August 2020 noch Schlimmeres verhindert haben.“

Durch das offene Gewässerprofil und den Retentionsraum auf dem Süwag-Gelände konnte die Hochwasserwelle abgemildert und so der weiterführende Sulzbach entlastet werden. Durch die Ableitung des Regenwassers von einem Teil des Außengebietes „In der Fuchshöhle“ in den Wald oberhalb vom Hochbehälter Schnittelberg konnte der oberirdische Abfluss über die L 3266 im Bereich Am Waldfeld reduziert werden. Und das Regenrückhaltebecken in der Straße Unterer Schellberg hat sich ebenfalls positiv auf die weiterführende Regenwasserkanalisation in der Königsteiner Straße und den Niederdorfsbach als Vorfluter bewährt. Durch den Umbau der Rechenanlage Dachbergstraße/Wilhelmspark konnte ein Einstau der Tiefgarage im Hundertwasserhaus verhindert werden. 

Gut aufgestellt für die Zukunft?

Hochwasserschutzmaßnahmen in Bad Soden am Taunus

Kurzfristige Maßnahmen

Kurzfristig sind zwei konkrete Maßnahmen vorgesehen bzw. bereits umgesetzt worden: Unmittelbar nach dem Starkregenereignis am 14. August 2020 wurde die Sanierung und Erweiterung des Kanals im Zeigershainerpfad im Stadtteil Neuenhain in die Wege geleitet. Der erste Abschnitt der Maßnahme ist abgeschlossen, der zweite Abschnitt wird derzeit umgesetzt. Diese Maßnahme sorgt für eine bessere Ableitung des Ab- und Niederschlagwassers aus dem Stadtteil Neuenhain und verhindert ein frühzeitiges Übertreten des Niederdorfsbaches. Hierdurch werden besonders die Liegenschaften unmittelbar hinter dem Regenrückhaltebecken Niederdorfsbach besser geschützt, aber natürlich hat dies auch positive Folgewirkungen für die Kernstadt.

Im Herbst ist darüber hinaus der Neubau der Rechenanlage in der hinteren Dachbergstraße an der Sportanlage Kelkheimer Straße vorgesehen. In diesem Zusammenhang sollen zudem ein Geröllfang und eine Verwallung hergestellt werden. Ziel der Maßnahme ist es, den Rechen besser von Treibgut freihalten zu können, sodass das Wasser in die dortige Verrohrung des Sulzbachs einfließen kann und nicht bereits dort ein unkontrollierter Abfluss erfolgt. Die geplante Verwallung soll zudem dafür sorgen, dass sich bei einem möglichen Einstau des Rechens das Wasser bachaufwärts sammelt und nicht in die bebaute Ortslage fließt. Die Maßnahme ist mit Investitionen in Höhe von rund 100.000 Euro verbunden. Hierüber wird die Stadtverordnetenversammlung am 8. September 2021 entscheiden. Über die Maßnahme informiert der Ausschuss für Planung, Bau, Umwelt und Verkehr ausführlich in öffentlicher Sitzung am 31. August 2021.

Mittelfristige Planungen

Für zwei größere Maßnahmen, deren Umsetzung mittelfristig erfolgen könnte, wurden in den vergangenen Monaten Planungsüberlegungen angestoßen. Hierbei handelt es sich zum einen um die Offenlegung des Sulzbachs im Bereich Talstraße/Rohrwiese. Der bisherige Bachlauf könnte im Hochwasserfall als Retentionsraum dienen und die Altstadt Bad Sodens entlasten. Die Kosten-/Nutzenbetrachtung ist noch nicht abgeschlossen, sodass voraussichtlich im Winter eine Grundsatzentscheidung über die Durchführung der Maßnahme getroffen werden kann. Zum anderen wurde ein Umbau der Kreisverkehrsanlage Königsteiner Straße/Sulzbacher Straße/Richard-Wagner-Straße („Yoro-Cho-Kreisel“) geprüft und grundsätzlich für möglich erachtet. Ziel des Umbaus wäre es, den automatischen Einlauf des die Königsteiner Straße bergab fließenden Wassers in den Bereich Tegut/Richard-Wagner-Straße zu reduzieren. Weitere Untersuchungen im Hinblick auf Kosten-Nutzen stehen noch aus. Auch hier ist eine Grundsatzentscheidung über die Durchführung in den Wintermonaten möglich.

Langfristige Überlegungen

Eine nachhaltige und durchgreifende Entlastung des gesamten Stadtgebiets böten zwei größere Maßnahmen, deren Umsetzung aufgrund ihres Komplexitätsgrades eher langfristig anzusehen ist. Hierbei handelt es sich zum einen um einen Ausbau des bestehenden Regenrückhaltebeckens Niederdorfsbach, das derzeit auf ein 15-jähriges Niederschlagsereignis ausgerichtet ist, und zum anderen um den Neubau eines Regenrückhaltebeckens für den Sulzbach im Bereich Naturschutzgebiet Altenhainer Tal. Aufgrund ihrer überörtlichen Wirkung liegen diese Maßnahmen im Zuständigkeitsbereich des Abwasserverbands Main-Taunus. Der Vorstand des Abwasserverbands hat im März 2021 beschlossen, für diese beiden Projekte hydrologische Wirksamkeitsabschätzungen vornehmen zu lassen. Die Ergebnisse werden noch im Sommer 2021 erwartet. Auf dieser Basis können im nächsten Schritt Wasserspiegellageberechnungen, Schadenspotenzialermittlungen und Kosten-Nutzen-Betrachtungen vorgenommen werden.